Was eigentlich bewegt den Menschen, sich immer schneller fortbewegen zu wollen, als die eigenen Beine tragen? Der Antrieb ist es – nicht nur der im Kopf, sondern vor allem der mechanische. Die entsprechende Technologie könnte beispielsweise von der RENK AG aus Augsburg stammen.


Antrieb und Bewegung – das waren auch die treibenden Kräfte, die Johann Julius Renk 1873 zur Eröffnung seiner mechanischen Werkstätte für die Herstellung von Zahnrädern aller Art bewegten. Bereits als Schlosser- und Dreherlehrling bei der Augsburger Maschinenfabrik, der späteren MAN, und später als ausgebildeter Dreher bei L.A. Riedinger dachte er über eine Maschine nach, mit der man Verzahnungen komplett mechanisch herstellen könne. Denn das Prozedere war damals noch äusserst mühsam: Üblich waren das maschinelle Vorarbeiten und anschliessend das manuelle, zeitaufwändige Fertigfeilen der einzelnen Zähne nach Schablonen.

Renk probierte geduldig aus. Zunächst gelang ihm der Bau einer halbautomatischen Stirnrad-Hobelmaschine, die nach dem Schablonenprinzip arbeitete. Und endlich, im Jahr 1877, der große Durchbruch: Er konstruierte eine Bearbeitungsmaschine, mit der man konische Zahnräder komplett herstellen konnte. Ein Meilenstein in der Geschichte der industriellen Fertigung, für die er mit dem Patent DRP 8000/79 belohnt wurde und dass damals in der Fachwelt für großes Furore sorgte. Damit war auch der erste Schritt zur Expansion der kleinen Firma getan und man zog 1879 um in Augsburgs Gögginger Straße, die bis heute Stammsitz des Unternehmens ist.

Danach lief es wie buchstäblich wie geschmiert für Johann Renk und sein aufstrebendes Unternehmen. Arbeit im Zweischichtbetrieb, um alle Aufträe fristgerecht zu erledigen – und das bei der damals üblichen 60-Stundenwoche mit einem Entgelt von 40 Pf. Stundenlohn. Die Investitionen in die firmeneigene Infrastruktur zahlten sich entsprechend aus. Die Firma Renk verfügte 1888 neben anderen Werkzeugmaschinen über 15 selbst gebaute Räderhobelmaschinen; die Belegschaft betrug 37 Mitarbeiter. Doch Johann Renk, der bereits im Alter von 48 Jahren starb, stand zu seiner sozialen Verantwortung und gründete sechs Jahre vor seinem Tod im Jahr 1890 die eigene Fabrikkrankenkasse. Er hinterliess einen Betrieb mit über 100 Mitarbeitern, die jährlich über 12.000 Zahnräder aller Art und Grösse herstellten und einen Umsatz von 500.000 Reichsmark erwirtschaftete. Der Vermögenswert an Gebäuden und Maschinen belief sich auf ca. 600.000 Reichsmark.

Kurz darauf, im Jahr 1897, wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bereits 1923 in den MAN Konzern eingegliedert, zählt RENK heute zu den führenden Anbietern von Investitionsgütern. Rund um die Antriebstechnik konnte das Unternehmen im Laufe seiner langjährigen Firmengeschichte immer wieder mit bahnbrechenden Innovationen auf sich aufmerksam machen. Zum Beispiel im Jahr 1997 – der Bau des weltweit ersten Turbogetriebes, das für eine Gasturbinenleistung von 100 MW ausgelegt war. Eine solche Leistung beruht auf langjähriger praktischer Erfahrung und profundem Know-how rund um den Getriebebau. Ganz in der Tradition des Firmengründers Johann Renk, überzeugte das Unternehmen mit seiner Erfahrung auch durch den Bau eines 20.600 kW starken Planetengetriebes, das im Schiffsantrieb eingesetzt wird und mit gegenläufigen Propellern ausgestattet ist. Doch damit nicht genug. Der RENK AG gelang es immer wieder, die bereit erbrachten Erfolge zu toppen – und das in allen sechs Kernbereichen des Produktionsprogramms. 1961 wurde eine elektrische Steuerung für Fahrzeuggetriebe entwickelt – ein Novum seinerzeit, das für entsprechendes Aufsehen in den Tagen des beginnenden deutschen Wirtschaftswunders sorgte. Auch die Entwicklung von hydrostatischen Lenkgetrieben im Jahr 1943 geht auf das Konto von RENK, ebenso wie das mit 36.000 min-1 schnellste Getriebe der Welt, mit einer Wälzgeschwindigkeit von 140 m/s, das 1939 gebaut wurde. RENK zählte schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu den industriell innovationsfreudigsten Unternehmen und war im Deutschland der 30-er Jahre zu einem damals unerhörten Output von bis zu 500 Präzisions-Automobilgetrieben pro Monat fähig (Bostock-RENK-Getriebe). An der Vormarktstellung im Weltmarkt hat sich bis heute nur wenig geändert: Das Unternehmen ist global führend im Bereich der Herstellung von Schiffsgetrieben, Gleitlager für E-Motoren und militärischen Fahrzeuggetrieben.

Grossgetriebe
Die RENK AG ist in fünf selbständige strategische Geschäftseinheiten untergliedert: Fahrzeuggetriebe, Antriebselemente, Sonderantriebstechnik, allgemeine Antriebstechnik und Prüfsysteme. Die Fertigung von Industriegetrieben zählt dabei zu den traditionsreichsten des Unternehmens und begann 1910 im Augsburger Stammsitz. Heute steht eine umfangreiche Auswahl an massgeschneiderten oder nach Kundenwunsch gefertigten Getriebesystemen zur Verfügung. Dazu zählen etwa die patentierten, kompakten Kegelrad-Planetengetriebe für Rohmehl-, Zement- und Kohlemühlen, aber auch für Rollenpressen in Zementanlagen, Großgetriebe für Doppelschnecken-Kunststoffextruder oder Getriebe für Windkraftanlagen. Die kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung des Produktspektrums führte zur Marktreife der neuen Kegelrad-Planeten-Getriebebaureihe KPBV. Mit ihr sollen beispielsweise die nächste Generation großer Vertikalmühlen in der Zementindustrie bestückt werden. Durch die Dreistufigkeit wurden Baugröße und Planetengetriebe-Bausätze im Vergleich zum Vorgängermodell deutlich vermindert, so dass eine sinnvolle Bevorratung und damit wesentlich kürzere Lieferzeiten erzielt werden können.

Im Bereich der Windkraftgetriebe wurde die Aerogear-Technologie als Weiterentwicklung vorhandener Antriebslösungen auf den Markt gebracht. Die ersten Getriebe dieser Bauart mit 1.500 und 2.000 kW sind bereits im Einsatz und arbeiten äusserst zufriedenstellend. Sie tragen spübar zur Wettbewerbsfähigkeit von Getriebe-Windkraftanlagen bei und zeichnen sich vor allem durch hohe Betriebssicherheit, Geräuscharmut und eine gesteigerte Performance aus. Das größte zurzeit verfübare Aerogear-Getriebe zeichnet sich durch eine Leistung von 5 MW aus.

Schiffe

Die Produktion von Schiffsgetriebe aller Bauarten und Größen hat einen besonders hohen Stellenwert bei der RENK AG. Sie werden in Handels- und Kreuzfahrtschiffen, schnellen Fähren und Marineschiffen wie Fregatten, Korvetten und Schnellbooten eingesetzt. Auch der deutsche Vorzeige-Luxusliner, die MS Deutschland, wird von einem Schiffsgetriebe aus dem Hause RENK bewegt. Eine besondere Herausforderungen beim Bau dieser Anlagen ist der hohe Anspruch, der an sie in bezug auf die Geräuschentwicklung gestellt wird: Luxusfähren sind schwimmende Fünf-Sterne-Hotels mit den entsprechenden Gästen, die keinenfalls vom Lärm der Maschinen gestört werden dürfen. Das Getriebesystem muss daher sowohl äusserst geräuscharm, wirtschaftlich und flexibel im Sinne der unterschiedlichen Anforderungen arbeiten. Im Bau leiser Schiffsgetriebe verfügt RENK jedoch über jahrzehntelange Erfahrung, die erstmals in den fünfziger Jahren beim Bau von Getrieben für die Marineflotte unter Beweis gestellt wurden. Das Spektrum in diesem Segment umfasst Wendegetriebe ab 250 kW bis hin zu Getrieben für Marineschiffe mit einer Übertragungsleistung von bis zu 30.000 kW, enschliesslich aller erforderlichen Steuerungs- und Ãœberwachungssysteme.

Bei der Geräuschentwicklung spielen die Art der Verzahnung und die Fertigungsqualität eine wesentliche Rolle: Doppelschrägverzahnungen in Verbindung mit einer präzisen und lastkorrigierten Zahnform garantieren einen leisen Abwälzvorgang bei Zahneingriff unter Last und Teillast. Auch das Gehäuse selbst spielt eine wichtige Rolle, denn es kann durch die Resonanzschwingungen den Geräuschpegel ganz erheblich steigern. RENK Getriebegehäuse sind daher doppelwandig und mit Rippen versehen. Mit einer optimal abgestimmten, elastischen Aufstellung des Getriebes kann die Geräuschentwicklung zusätzlich reduziert werden. An die 300 Schiffe weltweit wurden bislang mit RENK-Anlagen ausgerüstet.

Kettenfahrzeuge
Kettenfahrzeuggetriebe stellt das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der französischen Tochtergesellschaft SESM her. Weltmarktführend in diesem Bereich, stellt der Kettenantrieb von Panzerfahrzeugen ganz besondere Herausforderungen an die Getriebetechnik dar. 1943 gelang RENK die Erfindung des Prinzips der hydrostatischen Ãœberlagerungslenkung für Panzerfahrzeuge und 1965 der hydrostatisch-hydromechanische Lenkantrieb – eine bis heute weltweit führende Konzeption. Die automatischen Lastschaltgetriebe von RENK sind für alle modernen Heck- oder Front-Dieselmotoren geeignet. Sie werden elektronisch gesteuert und überwacht. Landverteidigungssysteme vieler Nationen vertrauen beim Antrieb ihrer Kettenfahrzeuge auf die Produkte aus dem Hause RENK. Ein Bonus, der Verbindlichkeit fordert: Um auch für die Entwicklung moderner Antriebskonzepte einer neuen Generation von Kettenfahrzeugen gerüstet zu sein, wurden mit der Gründung der RENK E-TECH GmbH die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen.

Kupplungen, Lager und Prüfsysteme
Eine logische Erweiterung des Produktkernbereiches stellen die Kupplungen, Lager und Prüfsysteme der RENK AG dar. Kupplungen etwa werden in allen Bereichen der Industrie eingesetzt. Die patentierten Bogenzahn-Kupplungen sind formschlüssige, nach allen Seiten bewegliche Wellenverbindungselemente und gleichen axiale, parallle und winkelige Wellenverlagerungen angeschlossener Maschinen problemlos aus. Sie werden in der Fertigungsindustrie ebenso wie im Schiffsbau wie in der Meerestechnik als bewährte Wellenverbindung geschätzt, ebenso wie die RAFLEX-Stahl-Lamellenkupplungen für hochtourige Maschinen, Turbinen oder Verdichteranlagen.

Im Hannoveraner RENK Werk werden hydrodynamische Gleitlager in Standard- und Spezialausführungen für beinahe alle Anwendungsbereiche gefertigt. Ob  Walzgerüstantriebe, Elektromotoren, Generatoren oder Pumpen, horizontale oder vertikale Bauweise- das gesamte Einsatzspektrum wird abgedeckt. Für maritime Anwendungen werden in Hannover ferner umfangreiche Standardbaureihen gefertigt, darunter Drucklager zur Aufnahme des Propellerschubs und zur Lagerung der Wellenleitungen.

1986 entstand der Produktbereich Prüfsysteme. Heute konstruiert das Unternehmen schlüsselfertige Prüfsysteme für Entwicklung, Produktion und Qualitätssicherung in den Bereichen Kraftfahrzeuge, Luft- und Schienenfahrzeuge. Zusammen mit der entsprechenden Hard- und Software, sinnvollen Ergänzungskomponenten sowie umfassenden Service- und Engineeringleistungen beliefert RENK erfolgreich alle bekannten Automobil- und Nutzfahrzeughersteller in Europa. In der ‘Gläsernen Manufaktur’  der Volkswagen-Fertigung in Dresden ist RENK mit drei End-of-Line Rollenprüfständen vertreten.

Kompetenz und Verantwortung

Die Weichen für die Zukunft sind gestellt. In allen drei RENK Werken in Augsburg, Hannover und Rheine, stiegen die Umsätze im letzten Geschäftsjahr weiter an. Einen wichtigen Beitrag dazu leistet mit Sicherheit die Aus- und Weiterbildungspolitik des Unternehmens, das seine Mitarbeiter mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Möglichkeiten fördert. Unter anderem im Rahmen des MAN-Ausbildungszentrums, wo vor allem der gewerbliche und technische Nachwuchs unterstützt wird. Umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur sowie in den Bereich Forschung und Entwicklung sorgen dafür, dass das Unternehmen auch morgen innovativ und industrieführend bleiben wird.

Die oberste Handlungsmaxime bei RENK ist und bleibt Qualität. Von der Projektplanung und Entwicklung bis hin zur Auslieferung und Wartung – der Qualitätsanspruch findet seinen Ausdruck in allen Bereichen und Produktsegmenten. Serviceorientiert und unpragmatisch stellt das Kundendienstnetz von RENK einen unerläßlichen Dienstleistungsfaktor dar, der weltweit Servicemitarbeiter und die passenden Ersatzteile zur Verfügung stellt.
Erschienen in: Deutsche Wirtschaftschronik 2005