Der Handy-Anbieter hat es seit drei Wochen nicht geschafft, die neue Mailbox einzurichten. Der Internet-Shop liefert das Geschenkt drei Tage nach Weihnachten. Die Bank hat eine Order falsch ausgeführt. Drei Gründe, sich zu beschweren. Drei Kunden, die für das jeweilige Unternehmen für immer verloren sein können. Die einzige Chance des Unternehmens: ein Beschwerdemanagement, das den Kunden ernst nimmt und sein Problem löst oder ihm Wiedergutmachung leistet. Nur so kann es möglicherweise sogar gelingen, aus dem gelegentlichen oder Zufallskunden einen Stammkunden zu machen. Nicht trotz, sondern wegen des sogenannten „critical incidents“.

Customer Relationship Management wird hier auf Krisensituationen übertragen. Jedes Unternehmen das etwas auf sich hält, denkt nach über CRM-Software, Datamining und Data-Research. Dass es dabei wichtig ist, trotz aller technischen Möglichkeiten, die Menschen an den einzelnen kritischen Transaktionspunkten nicht zu vergessen, stellt Jürgen Klingner, der Geschäftsführer der Multimedia-Agentur Publicis Networks in München immer wieder in den Blickpunkt. Die Definition seines Unternehmens von (e-)CRM unterscheidet sich daher deutlich von den übrigen Angeboten: „CRM ist Bestandteil der Unternehmensphilosophie und sollte sich abteilungsübergreifend in allen Geschäftsprozessen wiederfinden“, betont Klingner. „CRM dient dabei nach außen dem Kunden beim Kontakt mit Unternehmen und Produkt. Nach innen hilft CRM Produktabläufe vom Einkauf bis Verkauf zu optimieren und soll dabei jeden Mitarbeiter in seinem Arbeitsumfeld unterstützten.“ Ein Bestandteil dieses CRM sei die soziale Komponente „Kundenbindung durch Beschwerdemanagement“.

Auf welchen Wegen dies geschieht, bleibt den Beteiligten überlassen. Dennoch ist nicht jeder Kommunikationsweg für jeden Inhalt gleichermaßen geeignet. Dazu Stefan Klein, Teamleiter im Kundenservice der Direkt Anlage Bank AG (DAB), München: “Normalerweise antworten wir auf dem selben Weg, auf dem der Kunde zu uns Kontakt aufgenommen hat. Kommt aber eine eilige Anfrage zu einer Wertpapiertransaktion per Brief, antworten wir natürlich per Telefon, oder auch per E-Mail. Bei E-Mails muss man allerdings immer darauf achten, dass darin keine vertraulichen Fakten verschickt werden dürfen.“ Aufgrund ihres internetaffinen Kundenkreises laufen bei der DAB die meisten Anfragen, ob Frage oder Beschwerde, per E-Mail ein. Briefe werden auch von den Kunden nur dann noch benutzt, wenn wichtige Dokumente mitversendet werden müssen.

Die DAB beantwortet alle Anfragen selbst. In sechs Spezialistenteams und einem vorgeschalteten Filterteam kümmern sich 65 Mitarbeiter um Anfragen aller Art. Die inzwischen erreichte durchschnittliche Antwortzeit pro eingegangener Anfrage ist sehr kurz, rechercheintensive Anfragen mit aufwändiger externer Recherche inklusive.

Sehr wichtig sei dabei, dass Beschwerden systematisch bearbeitet werden, betont Harald Kling, Geschäftsführer der G.K.K. DialogGroup, die mehrere Call-Center mit Logistik-Background anbietet. Man braucht eine Aktionshistorie, in der jeder Schritt der Kommunikation mit diesem Kunden vermerkt ist. Man braucht eine Datenbank für die Beschwerden und man braucht eine intelligente Prozesssteuerung, damit man die Aktionen auch an den geeigneten Mitarbeiterdesk weiter gibt. „Jeder Unternehmer soll bedenken, dass es zehnmal teurer ist, Kunden zu gewinnen als Kunden zu halten“, so Kling. „Außerdem sollte jedes Unternehmen sich einmal vor Augen führen, dass eine Entscheidung FÜR ein Produkt oder Service häufig fremdmotiviert, eine Kündigung dagegen immer eigenmotiviert ist.“ Aber im Prinzip müsse man schon weit vor dem kritischen Punkt ansetzen. Wie dies aussehen kann, zeigt sein Kunde smarterwork.

“Wir begleiten unsere Kunden vom ersten Augenblick, also ab Projektausschreibung, persönlich. Da unsere Kundenbetreuung schon sehr früh ansetzt, können wir viele Beschwerden vermeiden beziehungsweise in einem direkten Gespräch schnell klären. Harald Mährle ist Geschäftsführer der smarterwork GmbH. Unter www.smarterwork.de bringt der Partner Full-Service-Dienstleister Experten und Unternehmen zusammen. Ein großer Teil des Kundenservice wird hier in-house angeboten. Ständig begleiten die Mitarbeiter des Kundenservice per E-Mail oder am Telefon die Projekte. Ob Ausschreibung, Expertenauswahl, Briefing oder Bezahlung. Nie ist der Kunde alleine, wenn es irgendwo hakt.

Dieses Gefühl, gut aufgehoben zu sein, sei immer das wichtigste, betont G.K.K. Kommunikationsprofi Harald Kling. Ob in hunderten von Anfragefällen pro Monat bei der Direktanlagebank oder in einem Dutzend wie beim Internet-Shop-Portal Vivendo, die Abwicklung von Anfragen und ganz besonders Beschwerden muss gut durchdacht sein. Für die Vivendo Internet GmbH lohnt sich aufgrund der Anzahl der Anfragen kein eigener Kundenservice. Hier gehen alle Kritiken – die meist technischer Natur sind – direkt zum Web-Site und Content-Manager. Dieser behebt sofort den Schaden oder beschreibt, was er zur Verbesserung unternehmen wird. In jedem Fall bekommt der User eine erklärende E-Mail.

Auf welchem Weg der Kontakt verläuft wird allerdings immer zweitrangiger, wie auch das Beispiel smarterwork GmbH zeigt. „Jeder hat seine eigenen Präferenzen, wie er am liebsten kommunizieren möchte“, betont Marketingleiterin Stella Kist. Letztendlich soll der Kunde entscheiden können, welches Medium er für die Ausschreibung seines Auftrages nutzen möchte. Es gibt nicht eine reale und eine virtuelle Projektwelt, es gibt nur Projekte, die optimal erledigt werden müssen.“ Nur konsequent erscheint es daher, dass mit dem Service smarterworkplus Projekte nicht mehr nur online, sondern auch per Telefon ausgeschrieben werden können. Dabei übernimmt smarterwork dann das gesamte Projektmanagement.

Telefon, Fax oder E-Mail? In-House oder outgesourct? Wo fühlt sich der Kunde besser aufgehoben, wenn er Beschwerden vorbringen möchte? Dr. Gaby Wiegran, Geschäftsführerin und Vorstand der Vocatus AG (s. Interview) weist auf die Vorteile des Internet hin. „Das Internet ist direkter, schneller und bietet besser auswertbare Daten für die Unternehmen.“ Ihre Erfahrungen mit der Beschwerdeplattform www.vocatus.de zeigen, dass sich nicht jeder Kunde, der sich bei Vocatus einträgt, auch direkt an ein Unternehmen wenden würde, über das er sich geärgert hat.

Stefan Klein und seinen E-Mail-Mitarbeitern aus dem Anfragepool der DAB haben die Erfahrung gemacht, dass E-Mail-Anfragen von externen Beschwerdeplattformen manchmal weniger sachlich im Ton sind und häufig Fälle auftauchen, die schon einmal abgewiesen wurden. Ob In-House oder outgesourct – Vocatus beispielsweise bietet auch die Möglichkeit an, Vocatus als Partner mit auf die eigene Homepage zu nehmen – ist für Stefan Kleins Team vor allem eine Frage der Inhalte. „Geht es um eine Beschwerde wegen eines Handys, ist es sicher gut, erst einmal einen Filter einzuschalten. Geht es dagegen um transaktionsgebundene oder personenbezogene Anfragen bei einer Bank, wie z.B. eine angeblich verspätet ausgeführte Order, kann das Problem nur in-house bearbeitet werden. Wir stellen dann dem Kunden alle Fakten zur Verfügung und in weit über der Hälfte der Fälle stellt sich dann heraus, dass die Beschwerde nicht gerechtfertigt war.“ Womit er die gleiche Meinung vertritt wie auch G.K.K., smarterwork und Vocatus: Entscheidend ist, dass der Kunde schnell die Fakten und gegebenenfalls eine Lösung bekommt. Nur dann fühlt er sich ernstgenommen und die Kundenbindung durch Beschwerdemanagement wird ein Erfolg.

Erschienen in: eCommerce-Magazin 1/01