In: Getränkeindustrie 11/2007

Datenformatmacht ist Marktmacht. Nach dieser alten IT-Weisheit spaltete sich die Getränkebranche jahrzehntelang in verschiedene Datenlager. Und die rettenden IT-Ritter der Branche? Die verschanzten sich nicht selten mit fliegenden Fahnen auf ihren bewehrten Türmen und hüteten ihre Pfründe. Bestens verdienten so eine Weile lang die Boten daran – die Hersteller individueller Konverter, die jede einzelne Schnittstelle für jeden Beteiligten neu programmieren und die Konverter bei jedem neu hinzukommenden Akteur aktualisieren mussten. So zumindest die Theorie von Karl Fritschi, Geschäftsführer der dicomputer GmbH, die dieser Praxis nun durch offene Schnittstellen in Zusammenarbeit mit der ge-con endgültig ein Ende bereiten möchte. Das windowsbasierte und bereits mehr als 100 mal implementierte Warenwirtschaftssystem „diCommerce“ ist dabei das Produkt, das der Experte für Warenwirtschafts- und Kassensysteme für den Getränkehandel in die Waagschale der offenen Kooperation wirft.

Dabei haben die Vereinten Nationen mit UN/EDIFACT schon 1988 eine weltweite, Branchen übergreifende Norm zum Austausch formatierter, strukturierter Daten ins Leben gerufen. Und EANCom wäre das sogenannte „Subset“, die Teilmenge speziell für die Konsumgüterindustrie, inklusive Getränke. Warum aber war EDIFACT, die „United Nations Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport” bislang noch nicht die Lösung aller Datenaustauschprobleme der Getränkebranche? „Fakt ist, dass die meisten Konsumgüterhersteller und auch die meisten Warenwirtschaftssysteme des Handels mit eigenen Datenformaten arbeiten, die in der Regel historisch, inhouse gewachsen sind,“ erklärt Oliver Oehler. Oehler ist seit 2005 verantwortlich für die ge-con GmbH, die unter seiner Regie eine Lösung entwickelt hat, mir der sie dem unverdaulichen Datensalat auf dem Informationsmarkt der Getränkebranche zu Leibe rücken möchte. Hintergrund: In der Getränkebranche gab es – anders als in der Automobil- oder Pharmaindustrie – keine Player, mit ausreichend massiver Marktmacht, um die eigenen Standards vergleichbar rücksichtslos bei allen potentiellen Zulieferern voranzutreiben.

Dass Datensalat in der Getränkebranche noch immer Alltag ist, zeigt das Beispiel des Getränkefachgroßhandelsunternehmens Berger im badischen Achern, das vor allem Gastronomen beliefert. 130 Gastronomen erhalten ihre Getränke von Berger, der wegen der Kreditlinien der Gastronomen die Umsätze zeitnah an die Hersteller zurückreporten muss. Die Wege bislang: Teils halbjährliche, teils quartalsweise, teils monatliche Reportings. Von Diskette (einmal), über Faxe (häufig), bis im Extremfall Datenbände per Post, die jedes einzelne verkaufte Produkt an jedem einzelnen Auslieferungsort aufführen, ist nahezu jeder Kommunikationskanal und jede Datenspeicherungsmöglichkeit im Spiel. Auch das Internet wird natürlich bereits genutzt: Meist um die ausgelieferte Ware per eMail zu reporten (einmal) oder um individuelle Formulare der Hersteller einzeln händisch auszufüllen. Inhaber Heinz Berger wundert sich manchmal selbst: „Wir sind damit mit mindestens einem Manntag Arbeitskraft per Monat beschäftigt. Ich glaube, der Traum der ITler vom lückenlosen und medienbruchlosen Datenstrom sah doch eher anders aus … .“ Von den zahlreichen Fehlerquellen bei diesen „händischen“ Verfahren einmal ganz zu schweigen.

Berger nutzt als Warenwirtschaftssystem seit langem das windowsbasierte, modulare System diCommerce und als Kassensystem diKasse von dicomputer. Er war der erste Kunde, bei dem dicomputer die Schnittstellenanbindung an das neue, völlig offene Konvertersystem „ge-con Transferbox“ für diCommerce realisierte. Warum er als „Pilotkunde“ starten wollte? Berger ist Mitgesellschafter der Baden Getränke. Seine Überzeugung ist, dass das „Lagerleben“ im Datenlager letztlich allen schadet. Den lückenlosen Datenverkehr den er nun mit Hilfe des neuen Systems gegenüber den Herstellern realisiert, möchte er daher auf Dauer auch bei seinen Abnehmern, den Gastronomen, durchsetzen. Auch hier arbeitet er mit einem ge-con Projekt, der „ge-con Bluebox“, die im Moment gerade – ebenfalls als „Pilot“ – an das dicomputer-Warenwirtschaftssystem diCommerce angeschlossen wird. Vorstellen lässt sich dies wie die Profiversion des „nachfüllenden Kühlschranks“: Automatische Nachbestellung inklusive Rechnungsstellung und neue Formen der Vermarktung und vieles mehr sind dann keine Hexerei mehr.

Was ist nun das Besondere an dem neuen Datenübertragungssystem, der „Transferbox“? In Datenübertragung, individuelle Konverter etc. … wurden bislang hohe Beträge versenkt. Jeder neue Zulieferer oder Verleger kostete neue IT-Investitionen. Dann kamen die Plattformen, ob GetPort oder GEDAT der Hersteller oder ge-con als Plattform des Handels. Alle waren an Mitgliedschaften gebunden, und der Datenaustausch fand über die X400-Telebox der Telekom statt. Jede Verbindung kostete Telekomgebühren satt. Ein Anachronismus in Zeiten des Internet, beschloss die ge-con. Und das Push-Prinzip des Datenlieferanten an eine Plattform, ersetzte sie durch ein kleines Skript, das pünktlich, ohne Zutun des Herstellers oder Händlers die Daten aus dem System liefert. Die Daten fließen in die Transferbox der ge-con, die sie in sämtliche benötigte Formate umsetzt. Beispiel InBev: 180 Händler wurden so angeschlossen. Alle mit nur einer Schnittstelle beim Hersteller. Alle im gleichen Wunsch-Datenformat. Alle, ohne dass von irgendeinem Marktakteur noch aktiv Daten geliefert oder gar angepasst werden müssten. Alle mit nur einer Schnittstelle bei jedem Händler, egal mit welchem System dieser arbeitet. Laut ge-con Eigenwerbung „kostenneutral“ und „ohne zusätzliche technische Ausstattung“.

Die Schnittstellenbereitstellung auf Handelsseite erfolgt dabei durch das Warenwirtschaftssystem diCommerce von dicomputer. Den Datentransfer und die Übermittlung der Daten übernimmt die ge-con. Jeder Markteilnehmer aus Handel und Industrie ist so erreichbar. Vorteile laut der beiden Kooperationspartner: Für die Händler führt der lückenlose automatisierte Datentransfer zwischen Hersteller und Händler zu Konditionenvorteilen und die Daten sind jederzeit für alle Partner für Planungen und Austausch auf dem aktuellsten Stand verfügbar.

Hauptsächlich fanden diese Umsetzungen im Order-Bereich statt. Der Invoice-Bereich ist bei einigen wenigen schon im Einsatz. Wichtig dabei, so Oliver Oehler von der ge-con: „Unsere Plattform ist für alle offen. Wir haben auch Überleitungsvereinbarungen mit GetPort und nehmen jedes ERP- oder Warenwirtschaftssystem, ob standardisiert oder inhouse auf, das seine Kunden anschließen möchte. – Vorausgesetzt das Unternehmen tut dies, wie dicomputer, aus Überzeugung und damit zu einem fairen Preis.“ Karl Fritschi, Geschäftsführer von dicomputer ergänzt: „dicomputer hat schon vorher alle Schnittstellen bedient, die von unseren Kunden gewünscht wurden. Das entspricht unserer Philosophie, wie auch unser Linux-Angebot zeigt. Unseres Erachtens hat ein seriöser Anbieter von Warenwirtschaftssystemen in Datenformatsfragen <<unpolitisch>> zu sein. Und unsere Anbindung an die ge-con Transferbox erscheint uns als ein wichtiger Bestandteil einer offenen IT-Umgebung für die Getränkebranche.“